14/03/2024
Das Schwert ist ein scharfer Spiegel: Unsere Gebärden geben Aufschluss darüber, wie wir in der Welt stehen und mit unserer Lebensenergie walten. Im Umgang mit einer symbolträchtigen Waffe wie dem Schwert wird das besonders deutlich, denn einst ging es beim Führen des Schwertes um Leben und Tod – oder wenigstens darum: sein eigener Herr sein, intuitiv aus dem Körper heraus zu handeln, sich verteidigen, Grenzen setzen, Raum halten, beschützen. In der Schwertarbeit, wie ich sie verstehe und liebe, ist das Schwert verbunden mit Licht, Klarheit, Achtsamkeit und Herzlichkeit und damit eine enorm kräftigende Ressource.
Die Bewegungen mit dem Schwert während des Übens stehen symbolisch für die Art und Weise, wie ich mir meinen Raum nehme, wie ich mich abgrenze, wie ich in Kontakt gehe (oder vermeide) – sei es zurückhaltend, nach vorne, ausweichend, wackelig, präsent oder mehr oder weniger abwesend. Die Rückmeldungen des Seminarleiters machen darauf aufmerksam, so dass ich selbst reflektieren kann, inwiefern sich in dieser Bewegungsqualität eine innere Haltungen manifestiert, die meine Lebensenergie, meine Präsenz und Klarheit ausbremst.
Durch das bewusste Ändern der Gebärde in Zusammenhang mit Erkenntnis und Erfahrung durch das Inkorporieren etwa von Weite, Herz, Hara, Mut … ändert sich diese innere Haltung, manchmal schnell, manchmal erst mit der Zeit. Doch in jedem Fall ist die Veränderung angestossen. Den nötigen Ernst vorausgesetzt, und der wiederum wird begünstigt durch die inere Schärfe der Waffe, auch wenn sie eine hölzerne Nachbildung oder ein stumpf geschliffenes Original ist.
Das Wesen der Entscheidung verdeutlicht das Ziehen des (männlichen) Schwertes aus der Scheide: Das Weibliche bzw. die Intuition gibt die Richtung vor, in die das Schwert ins Handeln kommt, um die innere Wahrheit in die Welt zu bringen. Etwa um jemandem eine Grenze zu signalisieren, Präsenz zu zeigen, in Kontakt zu gehen. Oder um die eigene Energie zu bündeln und auf diese Weise eine Vision oder eine Ausrichtung zu verströmen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wieviel Kraft das hat.
An der Gebärde des Schnittes lässt sich auch ablesen, wie gut jemand geerdet ist und woher seine Kraft kommt. Von zentraler Bedeutung bei der Schwertarbeit ist das Hara, unser Kraftzentrum im Unterbauch oder die «Erdmitte des Menschen», wie es der Zen- und Weisheitslehrer Karlfried Graf Dürckheim formuliert hatte. Dort verankert, finde ich Vertrauen und Sicherheit als auch eine anstrengungslose Kraft, die jedem zur Verfügung steht und die ungleich stärker ist als die selbst zu machende Muskelkraft.
Ein Schnitt aus dem Hara kommt also aus der Verbindung und unterscheidet sich auch in puncto Geschmeidigkeit, Harmonie und Würde deutlich von der Handlung, die alleine auf Muskelkraft setzt. Hier zeigt sich die Anstrengung als Folge fehlenden Vertrauens in «die Kraft» oft in Form von vor- oder hochgezogenen Schultern, überstreckten Armen oder verspannter Mimik. Das Dasein im Hara ist ein völlig anderes: verbunden, weit und präsent. Das Selbst oder das grösere Ich ist anwesend.
Und darauf zielt die Schwertarbeit letztlich auch: Transparent werden für das eigentliche Wesen in uns, um Dürckheims Worte zu benutzen. Den eigenen Weg gehen, authentisch handeln, schlicht und einfach da sein.