Die zwei Seiten des Schwertes

Mit dem Schwert werden häufig zuerst kriegerische Aspekte assoziiert. Doch gibt es auch das «Schwert der Wahrheit». Wie wichtig ist es, fest verwurzelt auf dem Boden zu stehen, Grenzen zu setzen und authentisch zu leben?

Schwerter waren ursprünglich Werkzeuge zum Töten. Die japanische Schwertkunst Iaido, die der Initiatischen Schwertarbeit die äussere Form liefert, fusst auf den Techniken und der Philosophie der Samurai. In Friedenszeiten nutzen wir das Samuraischwert als Werkzeug für die persönliche Entwicklung, dient es doch als unbestechlicher Spiegel dafür, wie wir mit unserer Lebensenergie umgehen. Gerade weil es eine Waffe ist und eine innere Schärfe in sich birgt, bringt es Tiefe und Ernsthaftigkeit in die Arbeit, die vieles unmissverständlich auf dem Punkt bringt. 

Die Frage nach der Erdung stellt sich am ehesten solchen, denen sie fehlt, vielleicht weil sie sich, oft im Lauf einer schwierigen Kindheit, vom Fühlen ins Denken verabschiedet haben. Für mich ist Erdung etwas Essenzielles, weil ich alleine über den dominierenden weltlichen Verstand keinen Zugang zu meiner inneren Wahrheit finde. Erdung bringt mich in den Körper und fest auf den Boden. Erdung erfahre ich auch in der Bejahung des Materiellen und meiner Körperlichkeit. 

Wann es nötig ist. mich zu behaupten oder abzugrenzen, sagt mir meine Körperweisheit, und ich erfahre das mittlerweile als wohltuende Einfachheit im Zusammenleben mit anderen. Die müssen ja wissen, wie weit sie bei mir gehen können, sonst übergehen sie mich. Wofür ich dann aber die Verantwortung trage, weil ich meine Grenzen nicht kommuniziert habe. An Grenzen entsteht Kontakt, und nur wenn ich meine Grenzen setzen kann, bin ich frei, sie zu verschieben oder aufzulösen. Das gehört zum authentischen Leben dazu.

Authentizität bedeutet für mich, möglichst nach inneren Massstäben zu leben, und dazu muss ich meine inneren Massstäbe kennen, also auch unterscheiden, was meinem Wesen entspricht und was mir von aussen aufgesetzt wurde und was ich zu mir genommen habe, obwohl es mich unnötig einschränkt. Auch dafür brauche ich das Körpergefühl; Erdung bedeutet hier Klarheit und Schlichtheit statt überbordender Verstandestätigkeit. Als Symbol der Durchtrennung im Sinne einer sinnvollen Unterscheidung und Entscheidung hilft mir das Schwert, hier auf den Punkt zu kommen, meine Wahrheit zu finden und in die Welt zu bringen. Nicht als Egotrip, sondern möglichst in gutem Kontakt mit den Mitmenschen. So gut es eben gerade geht.

Der Mensch hat im Idealfall beides: Eine weiche, sorgsame als auch eine «entschiedene Seite. Es gibt im Leben eines Jeden Situationen, in denen Härte (nicht Brutalität) angesagt wäre. Selbst Liebe ruft manchmal danach. Sei es der eigene innere Schweinehund, übergriffiges Verhalten oder eine medizinische oder pädagogische Notwendigkeit.