Fürs Leben üben – und der ganz normale Wahnsinn

Ich bin öfters auf dem Sportplatz und übe Katas mit dem Schwert. Katas in den Kampfkünsten sind festgelegte Bewegungsabläufe, hier: Schwertziehen, eine Abfolge von Schnitten auf einen imaginären Gegner zu und schliesslich das rituelle Rückführen des Schwertes in die Scheide.

Wenn es einen Übepartner gibt, ist das kein Gegner, sondern eben ein Partner, jemand, der mir Rückmeldung gibt. Solche Rückmeldungen sind wertvoll, weil ich daraus lernen kann, wie ich mich stimmiger und mit mehr Leichtigkeit und Freude bewege. Oder wie ich mich selbst nicht mehr ausbremse. Wer miteinander übt, berührt sich gegenseitig mit seinen Schnitten und damit seiner Energie, was für das Gegenüber auch über einige Meter Entfernung spürbar ist.

Es ist überaus wohltuend, so achtsam und spürend, mit gebündelter Energie in Kontakt zu gehen, wie es auch in den Schwertseminaren zu erfahren ist. Wobei die Wiederholung logischerweise einen vertiefenden Unterschied macht.

Zumeist bin ich beim Üben jedoch mein eigenes Gegenüber. Dann geht es primär um die Erfahrung von Klarheit und Präsenz, um geistige Zentrierung angesichts der Spitze und der inneren Schärfe des Schwertes. Ruhe breitet sich aus. Als jemand, der die Dinge gerne „richtig“ machen will, übe ich mich auch in Gleichmut und Akzeptanz gegenüber nicht so gut gelungenen Aktionen. Der Weg ist hier das Ziel, und dass dieser Weg möglichst mit Freude und Gewahrsein gepflastert ist, liegt in meiner Hand. Beziehungsweise Kopf.

Auch geht es mir darum, eine Kata gesammelt zum Ende zu führen, ganz gleich, wie „schlecht“ sie begonnen haben mag. Kein Abbrechen oder Aufgeben. Ein Weiteres ist, darauf zu verzichten, mental eine Checkliste der technischen Korrektheit abzuarbeiten, sondern die Bewegungen fühlend, im Hara und mit einem weiten Blick auszuführen. In dieser Präsenz gelingt sie jedenfalls besser als unter Führung des logischen Verstandes und fühlt sich runder an.

So üben ist für mich Leben Üben. Als ursprünglich recht ungeduldiger Mensch neige ich eh dazu, der Gegenwart voraus oder unduldsam gegenüber meinen vermeintlichen Schwächen, Fehlern und Langsamkeiten zu sein. Mir scheint, dass mit dem Schwertüben bereits ein Gutteil solcher und anderer präsenzverhindernder Denk- und Verhaltensgewohnheiten abgefallen sind. Ohne Absicht; es passiert im sich Niederlassen beim Üben, beim Reflektieren, bei der Erfahrung, wieviel freudvoller es ist, sich und den Dingen Zeit zu geben. In der Tat trennt das Schwert manches von mir ab, was mich von mir trennt.

In der Ruhe liegt die Kraft – so auch im Hara, dem Unterbauch. Weltliches Denken, Ungeduld, Wollen oder Zweifeln bremsen diese Kraft aus, und ich wäre zurück im gewohnten Kampf- oder Anstrengungsmodus, der auf Dauer unzufrieden und müde macht und aus der Präsenz im Augenblick wirft. Das ist freilich der ganz normale Wahnsinn, es geht darum, sich immer wieder zu erinnern und zurück in die Verbundenheit zu finden.

  • Was bringt dich in deine Mitte oder verbindet dich mit dem großen Ganzen?
  • Übst du dich regelmässig in etwas, und was bringt dir das über das «Technische» hinaus?
  • Hast du dabei schon die Langsamkeit entdeckt?

Das Seminar Die Kraft aus der Mitte am 21. und 22. Mai widmet sich schwerpunktmässig solchen Erfahrungen. Wie wär’s?