02/04/2022
Der Ausbruch aus dem Gefängnis ist übrigens straffrei, jedenfalls in Deutschland und Österreich. Das Gesetz achtet damit den natürlichen Trieb des Menschen nach Freiheit. Seit 1880 wird man für das eigentliche Entschwinden aus dem Knast nicht bestraft. Wohl aber für die Rechtsbrüche, die damit einhergehen, wie Widerstand gegen die Staatsgewalt oder auch Körperverletzung und Sachbeschädigung etc.
Klar, der rohe Trieb nach Freiheit hat irgendwann Grenzen, nämlich dort, wo er die Freiheit des anderen einschränkt. Bei genauerem Hinschauen ist das jedoch nicht so klar, wie es sich manche vorstellen. Etwa kursieren sehr unterschiedliche Vorstellungen von Freiheit; mancher fühlt sich bereits eingeschränkt, wenn andere ihre Meinung sagen.
Oder durch ihr Handeln Ängste triggern. Hier darf dem Ängstlichen zugemutet werden, sich und seine Befürchtungen genauer anzuschauen. Schliesslich ist unser Daseinszweck nicht, andere vor ihren Ängsten zu bewahren oder sie stets in ihrer Komfortzone zu halten. Was natürlich auch für uns selbst gilt. Denn solche Vollkasko-Mentalität schützt in erster Linie vor einem: persönliche Entwicklung.
Leben bedeutet immer auch Reibung und Konflikt. Permanentes Ausweichen ist die Weigerung, das irdische Leben anzunehmen und sich aus den Fängen von Angst, Erziehung oder faulen Konventionen zu befreien. Ohne «Rechtsbruch» haben ja die wenigstens «Gefängnis»-Ausbrecher dabei Grösseres zu befürchten. Zu rechnen ist allerdings mit dem Widerstand derer, die sich dadurch ihrer Machtfülle beraubt sehen.
Spätstens wenn das Befolgen von Regeln und Gewohnheiten selbstschädigende Ausmasse annimmt, wird es Zeit für ein Nein, eine Revolte, einen Ausbruch. Unstimmige Konventionen lassen sich brechen; wer könnte es dir verbieten? Grenzen wollen gesetzt werden, wenn andere übergriffig werden. Dem Ruf des Herzens lässt sich folgen. Alles braucht eine Entscheidung: Das Schwert aus der Scheide ziehen und vorwärts schreiten. Die Konsequenzen daraus sind selten so unangenehm, wie es uns die Angst einzureden versucht. Und Reibung kann man auch geniessen. Der Zuwachs an Freiheit lohnt es allemal. Reibung erzeugt Wärme und an Grenzen entsteht Kontakt.
Wobei Freiheit primär eine innere Angelegenheit ist und viel damit zu tun hat, unbeirrt von äusseren Einflüssen der eigenen inneren Stimme zu folgen. Lieber echt als recht. So kommt es, dass mancher Knastinsasse freier ist als solche Zeitgenossen, die weitgehend der permanenten Verführung erliegen, ihr Leben alleine an den vielfältigen Ablenkungen und vermeintlichen Zwängen der Konsumgesellschaft auszurichten. Der Ausbruch aus diesem Gefängnis schränkt niemandes Freiheit ein, wird aber mit Selbstwirksamkeit und Lebensfreude belohnt.