03/09/2020
Der Mensch möchte immer gerne viel von dem, was er momentan mutmasslich zu wenig hat. Grenzenlose Freiheit klingt erst einmal grossartig, wenn wir stark in Strukturen eingebunden sind. Wenn wir uns also den lieben langen Tag fremden Zeitplänen und Notwendigkeiten unterordnen und dabei unser Eigentliches zu kurz kommt. Da ist es wunderbar, Ferien zu machen und auf jegliche Strukturen zu pfeifen, ausser vielleicht das Zähneputzen.
Auf Dauer jedoch stellt sich ohne jede Tagesstruktur wohl bald eine gewisse Unzufriedenheit ein. Das Leben wird beliebig, und beliebig ist nicht frei. Frei sind wir, wenn wir mit Herz und Verstand die Dinge tun, vor die uns das Leben stellt oder die uns sonstwie einfach Freude machen. Freude und die Befriedigung, etwas – nach eigenen Kriterien – gut gemacht zu haben, empfinden wir jedoch am ehesten, wenn wir mit etwas in die Tiefe gehen. Das weiss ich aus eigener Erfahrung, denn Jahrzehnte war ich ein Experte darin, mich nicht in eine Sache länger zu vertiefen, sondern nach einer gewissen Zeit etwas anderes anzufangen. Auf Dauer ist das öde.
Hier braucht es Regelmässigkeit und damit Struktur. Freiheit ist für mich heute auch, mich zu verpflichten, täglich etwas Bestimmtes zu üben oder zu tun, auch regelmässig Pausen zu machen. Ich muss es nicht, sondern will es, auch wenn ich mal keine Lust dazu habe. Zudem liegt es ja in meiner Hand, das Üben so zu gestalten, dass es Freude macht. Gebe ich öfters meinen Launen nach, dann verwässert es bald, und ich fange wieder etwas Neues an. Das jedoch wäre ein Muster und damit unfrei.
Empfinde ich Strukturen als überflüssige Einschränkung, dann weil ich keinen Sinn darin sehe. Finde ich in Begrenzung einen Nutzen für mich oder andere, dann halte mich gerne daran. Wenn auch nicht sklavisch, so viel Freiheit muss sein.